In eigener Sache: Deskriptive Logik, Logische Phänomenologie, Philosophische Komparatistik

I. Die Unhintergehbarkeit der Argumentation

Seit ich meine Logik für Demokraten veröffentlicht habe, begleitet mich ein Einwand, der die von mir vorgeschlagene logische Vorgehensweise betrifft. Er lautet ungefähr so:

Der Populist / der Rechte / der dogmatische Linke / der Ideologe usw. schert sich nicht um Logik. Ihn interessiert es nicht, konsistent zu argumentieren. Das Einzige, was ihn interessiert, ist, sich selbst zu bestätigen. Dafür nimmt er alles in Kauf, auch die schlimmsten und schäbigsten Untergriffe. Deswegen ist die Logik im Kampf gegen solche Dogmatiker nutzlos.

Diejenigen, die diesen Einwand vorbringen, stehen ratlos vor den mannigfaltigen Gestalten des Dogmatismus. Ratlos deswegen, weil ihnen als mögliche Reaktion nur Ausschluss oder Unterwerfung, sei es die des Dogmatikers, sei es die eigene unter die These des Dogmatikers, einfällt. Für sie erscheint der Dogmatismus als ein unlösbares Problem, als Sackgasse der Kommunikation. Was sie dabei allerdings fortlaufend übersehen, ist die Natur der dogmatischen Sichtweise. Genau gesagt: Sie sehen diese Natur, aber sie bringen sie nicht in Verbindung mit einer logischen Denkweise. Das hat damit zu tun, dass sie die Logik ausschließlich normativ verstehen: Logik stellt Regeln auf, an die man sich halten muss. Ist diese Überzeugung einmal formuliert, erscheint sie selbst als eine Version des Dogmatismus. Man kann sich ihr nur unterwerfen oder aber sie sich unterwerfen.

Im ersten Fall wird man diese Regeln vielleicht mit subjektiven Wertvorstellungen kombinieren, damit sie weniger abstrakt wirken. Dann wird man fordern, dass man sich diesen Regeln zu unterwerfen hat. Die logischen Regeln werden zum Ausdruck einer subjektiven Werthaltung gemacht – jemand hält sich an sie, weil er an etwas glaubt, die Demokratie zum Beispiel oder die Menschenwürde oder an das produktive Gespräch unter einigermaßen Gleichgesinnten. Wer sich nicht an die logischen Regeln hält, der verletzt damit die moralischen Regeln, auf denen sie vermeintlich basieren und verdient den Ausschluss. Soweit die Argumentation der Regelverteidiger.

Im zweiten Fall reagieren die Regelbrecher auf die Ansprüche der Regelverteidiger mit einer simplen Verneinung: „Nein, ich muss mich den Regeln nicht beugen.“ Logische Regeln engen den Menschen ein, der von Natur aus widersprüchlich ist und eben auch so denkt. Genau deswegen braucht man einen, der sagt, was Sache ist, damit der irrationale Mensch in all seinem irrationalen Handeln am Ende doch einem höheren, rationalen Ziel dient. Entsprechend ist es das Ziel der Regelbrecher, die Regel als Schein zu erweisen und den Regelverteidiger als einen aufzuweisen, der verblendet ist und die Wahrheit nicht sehen will.

Was ist aber die Natur einer dogmatischen Denkweise? Die Natur einer dogmatischen Denkweise ist fortlaufende Selbstbestätigung. Und genau das ist ein logisches Phänomen. Wer fortlaufende Selbstbestätigung anstrebt, der strebt danach, Widersprüche zu vermeiden. Allerdings tut er es so, dass er für die Bestätigung einer dogmatischen Setzung ständig andere dogmatische Setzungen einsetzen muss, für die er dann wieder dogmatische Setzungen einsetzen muss und so weiter, ad infinitum. Deswegen sind Dogmatiker so aktiv: sie kreisen in einer ständigen Anforderung, dem immer wieder drohenden Widerspruch – sei es durch Andersmeinende, sei es durch eine Wirklichkeit, die zurechtinterpretiert werden will – zu entgehen.

Beide, der Moralist und der Naturalist, ziehen laufend Schlussfolgerungen, die Schlüssigkeit anstreben. Der eine geht von einer relativistisch verteilten Moral aus, zu der man folglich dazu gehört oder eben nicht. Der andere geht von einer relativistisch verteilten Willkür aus, die folglich in Schach gehalten werden muss. Aus ursprünglichen moralischen oder gefühligen Ursachen werden Wirkungen geschlossen; Logik verweist zurück auf das Herz, das das Gesetz gibt; den Gegner deckt man geradezu exzessiv mit Widerlegungen seiner Perspektive ein.

Das bedeutet: Noch derjenige, der die Abwesenheit aller Regeln behauptet, folgt Regeln und tut alles, um für andere darzustellen, dass er Regeln folgt. Nicht, weil irgendeine Logik es vorgibt, sondern weil er es ersichtlich tut, sagt und schreibt. Er argumentiert, er führt Gegenmeinungen an, er widerspricht, er gibt Ursachen, Gründe, Autoritäten an, findet Plausibilisierungen, argumentiert am laufenden Band. Jedes „Nein“ geht davon aus, dass der andere begreift, dass „Nein“ nicht „Ja“ bedeutet, dass „Nein“ und „Ja“ einander widersprechen. Und wer behaupten will, dass der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch nicht gilt oder von diesem oder jenem nicht anerkannt wird, weiß nicht, wovon er redet.

Diese Beobachtungen kann man machen. Man braucht dafür keine Regeln. Man kann beobachten, dass auch und gerade diejenigen, die argumentierende Gespräche für sinnlos erklären, ständig argumentieren. Dass Dogmatiker einer klaren Vorgabe von Konsistenz ihrer Aussagen folgen, ja, dass ihr ganzer Dogmatismus in nichts anderem besteht, als die Welt und alle anderen darin ständig in Einklang mit der eigenen Sichtweise zu bringen. Das heißt: in eine Bestätigung derselben und eben nicht in eine Nicht-Bestätigung. Wer argumentiert, Logik sei sinnlos, weil sie dem anderen egal sei, hat möglicherweise genau das bei ihm beobachtet. Er hat sich angesehen, wie jemand, beim Streben nach größtmöglicher Übereinstimmung mit sich selbst, sich zugleich in vielerlei Hinsicht widerspricht. Und das Ganze wiederholt, um diesen Widerspruch zu tilgen und dabei auch den Widerspruch wiederholt. Wer argumentiert, die Rechten hätten kein Interesse an Argumentation, beschreibt nichtsdestotrotz einen logischen Sachverhalt.

II. Deskriptive, nicht normative Logik

Es gibt einen Satz, den ich mir wohl auf meinen Grabstein schreiben lassen muss. Er lautet:

„Der hier liegt, wollte eine deskriptive, das heißt: beschreibende Logik machen.“

Ich mache genau das: Ich beschreibe, wann und warum eine Argumentation bzw. ein Gespräch nicht funktioniert. Dafür muss ich nur hinschauen, was da steht – ich brauche dafür keine Regeln.
Die Fehlschlüsse, die ich in meiner Kolumne und in meiner ‚Logik‘ beschrieben habe, sind keine Regeln. Sie sind Beschreibungen. Sie beschreiben, wo und wann in einer Argumentation ein Widerspruch vorliegt. Mehr nicht. Sie weisen auf, wo die Rede, die danach strebt, mit sich selber übereinzustimmen, nicht mit sich übereinstimmt. Niemand muss diese Fehlschlüsse beachten, sie stellen keine normative Forderung dar. Man muss dann eben damit leben, dass jeder, der sie kennt, sehen kann, wann und warum man sich selbst widerspricht.

Entsprechend ist in meinem logischen Verständnis ‚Geltung‘ auch nicht abhängig von der eigenen subjektiven Anerkennung oder von der Übereinstimmung mit einem Regelsystem. Ganz einfach deswegen, weil es ein Regelsystem nicht gibt. ‚Geltung‘ bedeutet für mich ganz einfach: ‚Ich beanspruche, dass Du mir zustimmen musst.‘

Daraus ergibt sich alles andere:

Jemand, der das behauptet, muss mir zeigen, warum ich das muss. Er muss es mir so zeigen, dass ich das muss, nicht nur kann, denn das ist, was er behauptet. Das ist die Funktion einer Begründung in einem Gespräch.

Jemand, der behauptet, ich müsse ihm von Vornherein zustimmen, behauptet damit, er habe mir bereits gezeigt, warum und ich hätte ihm schon zugestimmt. Wenn er mir das aber gar nicht gezeigt hat und ich ihm auch gar nicht zugestimmt habe, behauptet er etwas, was nicht der Fall ist. Insbesondere dann, wenn jemand das erste Mal etwas behauptet und gleich behauptet, alle anderen hätten ihm zugestimmt, bevor sie irgendwas gesagt haben, widerspricht derjenige sich selbst. Das ist die Funktion einer dogmatischen Setzung.

Jemand der behauptet, dass etwas der Fall ist und etwas später behauptet, dass dasselbe nicht der Fall ist und der das in der gleichen Hinsicht behauptet, widerspricht sich inhaltlich selbst. Und wer sagt, dass er gerade nichts sagt oder festlegen will, dass es keine abschließende Wahrheit gibt, widerspricht sich selbst performativ. Das ist die Funktion eines Widerspruchs.

Deskriptive Logik wendet keine Regeln an. Sie schaut nur genau hin. Sie beschreibt, was jemand tut, wenn er etwas behauptet. Und sie verneint Geltung dann, wenn sich eine Rede widerspricht – genauso wie alle anderen, die miteinander reden und verstehen, wie eine Verneinung funktioniert, einschließlich des Dogmatikers und desjenigen, der ihn bekämpfen will.

Deskriptive Logik ist keine formale Logik. Sie interessiert sich nicht für die Form von Argumenten und deswegen abstrahiert sie auch nicht vom Inhalt. Das ist etwas, was man mir immer wieder vorwirft, weil man mein Vorgehen mit einer formalen Logik verwechselt. Mich aber interessiert, wie Inhalt – was man sagt – und Operation – was man dabei tut und wie man es tut – zusammenhängen. Dafür brauche ich den Inhalt. Aber wenn ich gezeigt habe, dass man eine Behauptung nicht ohne Widerspruch behaupten kann, dann muss ich auf den Inhalt nicht weiter eingehen. Das wird meistens als ein Absehen vom Inhalt wahrgenommen.

Dabei ist der Inhalt der Behauptung an sich meistens gar nicht das Problem. Das Problem liegt in dem Geltungsanspruch, der zu weit gefasst ist. Auf diesen Aspekt weise ich hin. Und oft genug formuliere ich eine Alternative, in der die These inhaltlich debattierbar wird, weil sie keinen Widerspruch mehr einschließt. Deskriptive Logik ist nicht formale Logik. Die formale Logik hat deskriptive und normative Anteile, aber sie sieht vom Inhalt ab, deswegen heißt sie so.

Meine deskriptive Logik sieht nicht vom Inhalt ab, sondern interessiert sich für den Zusammenhang von Inhalt und Operation.  Sie setzt keine Regeln voraus – höchstens beschreibt sie, wann eine andere Rede Regeln voraussetzt. Deskriptive Logik, weil sie beschreibende Logik ist, formuliert also Behauptungen, keine Setzungen. Sie behauptet, dass in einer Rede ein bestimmtes Verhältnis der Fall ist und sie belegt diese Behauptung mit einer Textstelle. Gerade dadurch legt sie aber demjenigen, dem Sie einen Fehlschluss o. Ä. vorwirft, diese Behauptung plus Beleg zur Beurteilung vor. Sie stülpt sie ihm nicht über, sondern sie anerkennt ihre Pflicht, ihre Behauptung zu belegen.

Deskriptive Logik beschreibt Verhältnisse, die geltungslogisch (eine engere Perspektive als die der deskriptiven Logik) problematisch sind. Kriterium dafür ist der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch. Auch für den gibt es einen (elenktischen) Beweis, den sie immer dann liefert, wenn sie ihre geltungslogische Beurteilung begründen soll. Wichtig ist: Geltungslogische Beurteilung ist keine normative Beurteilung. Sie folgt keiner Norm oder Regel, sie weist nur auf, wo eine Rede nicht mit sich übereinstimmt und ihr deswegen auch keiner zustimmen muss.

Deskriptive Logik beschreibt Fehlschlüsse so, dass sie geltungslogisch begründen kann, warum es Fehlschlüsse sind. Sie stellt damit keine Normen auf, sondern weist auf, in welchen Verhältnissen sich Inhalt und Operation widersprechen. Insofern ist deskriptive Logik einmal beschreibend und einmal begründend. Sie ist beschreibend, sofern sie Behauptungen über Redehandlungen aufstellt. Und sie ist begründend, sofern sie auf der Basis dieser Beschreibungen ein geltungslogisches Urteil aufstellt. Dieses Urteil ist, wie alle Behauptungen der deskriptiven Logik, grundsätzlich hinterfragbar.

Deskriptive Logik stellt nie eine Ausschließlichkeitsbehauptung auf. Jemand, der einen Stuhl abmisst oder seine Farbe beschreibt, behauptet ja auch nicht, der Stuhl bestünde nur aus den abgemessenen Zentimetern oder der Farbe Braun. Ich vertrete insgesamt partikuläre Geltungsansprüche – und auch das nicht ausschließlich, wie meine Texte zur Letztbegründung zeigen.

Die Hinterfragbarkeit von Behauptungen, auch und insbesondere meiner eigenen, ist die Basis meiner Philosophie. Meine philosophische Position geht von der Problematisierung der dogmatischen Setzung aus – deswegen vermeide ich sie überall. Ich stelle grundsätzlich keine Ansprüche darauf, dass meine Rede unbedingt gilt. Deswegen sind alle diesbezüglichen Pappkameraden hinfällig – denn ich allein entscheide darüber, welche Ansprüche ich mit einer Behauptung verbinde.

III. Das größere Bild

All das ist selbst nur ein kleiner Teil meiner Philosophie. Ich bin eigentlich Spezialist für Lektürehinsichten (seitens der Problemstellung meines Buches Vom Gebäude zum Gerüst) und für reflexive Verhältnisse (seitens meines eigenen Lösungsversuchs für meine Problemstellung). Das heißt, mein Spezialgebiet sind sämtliche rückbezüglichen Verhältnisse in philosophischen Texten – für (ethische, erkenntnistheoretische, ontologische, metaphysische, logische usw.) Begründungsfiguren (inklusive Letztbegründung), Ursachen, Prinzipien, Aporien wie Nihilismus, Relativismus, Skeptizismus, Dogmatismus, für Paradoxien und inhaltliche und performative Widersprüche, für alle Formen begrifflicher Dialektik, für Rückbezüglichkeit in den literarischen Aspekten der Philosophie, für alle Formen von Präsenz und Transzendenz und infinite Regresse, für die Funktion von Frage, Problem und (Auf)lösung, für Probleme, in die das Denken mit sich selbst gerät – und für die mannigfaltigen Begriffe, rhetorischen, literarischen, textuellen Strategien , die diese Verhältnisse ausdrücken, auslegen, problematisieren usw.

Ich habe aus dieser Phänomenologie logischer Verhältnisse eine Komparatistik gemacht. Das heißt, ich habe Begriffe entwickelt, mit denen man verschiedene rückbezügliche Verhältnisse wie die bereits genannten in den Texten verschiedener Philosophen oder eines einzelnen Philosophen miteinander vergleichen kann. Meine logische Phänomenologie ist also eine philosophische Komparatistik, auf der Basis reflexionslogischer und reflexivitätslogischer Verhältnisse. Wie jede Phänomenologie ist auch diese nicht reduktiv, d. h. sie beschreibt Aspekte und behauptet nicht, sie würde alles sagen, was man dazu sagen kann.

Was ich auf Facebook und in anderen Medien mache, ist also bereits eine vielfach vereinfachte Anwendung einiger weniger Aspekte dessen, was mich philosophisch tatsächlich interessiert. Deswegen sind auch Identifikationen dessen, was ich auf Facebook und in anderen Medien tue mit meiner philosophischen Position ziemlich sinnlos. Ich bin zu dieser Tätigkeit über Umwege gekommen; sie als diskursive, d. h. am alltäglichen Gespräch orientierte Logik anzuwenden, habe ich der Hohen Luft zu verdanken, für die ich meine Sichtweise anpassen musste.

Was für meine logische Expertise gilt, gilt auch in anderer Hinsicht. Ich habe über Foucault und Heidegger promoviert und kenne durch meine philosophische Komparatistik sehr viele Philosophen aus eigener Lektüre ziemlich gut. Meistens habe ich mich nämlich für meine Komparatistik mit den besonders ‚dunklen‘ und ‚unverständlichen‘ Texten beschäftigen müssen, weil dort auch die interessantesten rückbezüglichen Verhältnisse zu finden waren.

Deswegen scheint es so, als sei ich zugleich Vertreter vieler Schulen. Ich bin bei Platon ebenso zuhause wie bei Plotin, Cusanus, Pico, Spinoza und Kant. Ich kann mit Fichte und Hegel was anfangen, ebenso wie mit Marx, Nietzsche oder Kierkegaard, bei Derrida und Foucault ebenso wie bei Wittgenstein, Levinas, Adorno oder Zizek. Je mehr Philosophen man liest, desto größer wird die Familie. Aktuell schreibe ich an einem Buch über das Verhältnis der französischen Philosophie (Sartre, Merleau-Ponty, Ricoeur, Levinas u. a.) zu Edmund Husserls Phänomenologie. Im nächsten Jahre werde ich in Wuppertal das Einführungskolloquium zu Eugen Fink übernehmen. Die letzten beiden Semester habe ich dort Seminare zum Neuplatonismus gegeben, in der Spätantike und der Frühen Neuzeit. In den nächsten Jahren erscheinen Texte zu Plotin, zur Gewalt, zum Idioten u. v. m.

IV. Die Wege der Rezeption sind unergründlich

Die Auseinandersetzung mit meiner Position nimmt immer wieder die Form der Schubladisierung an. Das liegt auch daran, dass ich verschiedene philosophische Sprachen spreche. Man verwechselt meine Position dann mit dieser oder jener Schule oder versucht mich an irgendeinem Verständnis von dieser oder jener Schule zu messen. All das ist vergebens, denn ich hänge keiner Schule an und folge keiner Lehre.

Ich habe eine eigene Position, die mittlerweile in mehreren Büchern und Aufsätzen vorliegt. Wer verstehen will, wie ich philosophisch denke, geht nicht auf Facebook oder Twitter, sondern liest meine Bücher. Ich habe etliche Wege dorthin bereitgestellt – über Argumentation und Logik, über die Literatur, über die Lektüre, über die Philosophiegeschichte, über die Einführung in die Dialektik, in der man verstehen lernt, wie Inhalt und Operation zusammenhängen, über meine Einführung in die Philosophie. Ich bin Lehrer und Didaktiker, ich probiere Dinge aus und lege andere zur Seite.

Wenn man eine eigene Position hat, dann erscheinen einem die Reaktionen darauf nicht nur als Aussagen über diese Position, so gut oder schlecht sie auch begründet sein mögen. Diese Reaktionen sind auch eine Abbildung der Rezeption des eigenen Werks.

Diese Abbildung kann man kategorisieren: Es gibt diejenigen, die bereits bei „Philosoph“, „Mann“ oder „Akademiker“ zu einem abschließenden Urteil gelangen. Es gibt diejenigen, die mit mir in den argumentativen Clinch gehen und die Erfahrung machen, dass ihre Argumente nicht funktionieren. Es gibt diejenigen, die sich an mir als Autoritätsfigur abarbeiten, die sich zuerst unterwerfen, auch ihrem eigenen Ideal von mir, um sich dann davon frei zu machen, meistens in heftigen Abwehrbewegungen. Es gibt, von beiden Gruppen, diejenigen, die sich zu Zorn-Selbsthilfegruppen auf Facebook treffen und sich dort abreagieren. Manche bringen Sätze von mir wie Trophäen ihres Scheiterns mit und machen sie zum Gegenstand exzessiver Selbstbehauptung. Es gibt diejenigen, die heimlich mein Profil stalken und diejenigen, die Screenshots wie Sammelkarten herumreichen.

Es gibt aber auch diejenigen, die nach einer mehr oder minder heftigen Erfahrung zurückkehren. Meine Reaktion auf dogmatische Rede ist ja meist sehr kategorisch – sie mildert sich, wenn mein Gegenüber sich mildert. Eine simple Spiegelung, die sich in der genannten Abbildung niederschlägt. Es gibt diejenigen, die interessiert mitlesen und ab und zu Fragen stellen. Diejenigen, die sich durch meine Werke arbeiten. Diejenigen, die bei mir studieren, innerhalb und außerhalb der Uni. Und diejenigen, mit denen ich täglich philosophisch denke, im Gespräch bin, über Eugen Fink und Idiotie, über Energie und Ethik, über Pico della Mirandola und über das alte Athen spreche. Es gibt diejenigen, die dabei mit mir streiten und diejenigen, die dabei mit mir einig sind. Wir gehen zusammen spazieren und ab und zu steigen wir auch mal gemeinsam auf einen Berg.

Für einen Phänomenologen wie mich ist dabei überwältigend, wie vielfältig und unterschiedlich diese Reaktionen sind, auch wenn sie sich nach der einen oder anderen Seite stereotypisch abbilden (narzisstische Kränkungen haben alle die gleiche Struktur). Es ist selten, dass ein Philosoph schon zu Lebzeiten eine solche vielfältige Rezeption erlebt, auch und gerade außerhalb der Akademie. Und dafür bin ich sehr dankbar.

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